Einstiegsübung

Etwas öffnen tut man jeden Tag. Sei es die Milchtüte fürs allmorgendliche Müesli oder kurz davor die Kühlschranktür. Zuallererst aber, bevor die Mechanik des Lebens sozusagen von alleine sich choreografiert, öffnet man natürlich die Augen. Doch das passiert einfach so, ohne bestimmten Handgriff – und um diesen soll es uns aber zuallererst gehen.

a) Schliessen Sie also vorerst mal die Augen. Gehen sie Ihren Tagesablauf in Gedanken durch; vom Aufwachen bis zum Schlafengehen. Notieren Sie sich die Dinge, die Sie öffnen, listenartig untereinander auf ein A5-Papier (dabei lassen sie Mehrfachnennungen ausser Acht, d.h. diese kommen nur beim ersten Mal auf die Liste).

b) Suchen Sie in Ihrer Liste nach speziellen Öffnungsvorgängen. Denn es gibt bestimmte Handlungen, die sind entweder individuell (bei einer Evian-Flasche kann man zum Beispiel den ganzen Deckel abschrauben, wenn man nicht am Dosierzapfen nuckeln will), oder hängen von den Umgangsformen eine Kollektivs ab, sind rituell bedingt; ob man zum Beispiel den Klodeckel öffnen (hochheben) muss, ist eine interfamiliäre Entscheidung, ebenso, wenn die Haustür zuerst aufgeschlossen werden muss, bevor sie geöffnet werden kann. Setzen Sie vor diesen individuellen Öffnungsvorgängen ein i oder ein r. Schreiben Sie anschliessend hinter die so markierten Objekte ein alternatives Adjektiv für öffnen (wie oben hochheben oder aufschliessen; was für eine schöne, widersprüchliche Wortschöpfung!).

Abschliessend erzählen wir uns gegenseitig von unserem Alltag und tragen so eine kleine Phänomenologie des Öffnens zusammen. Übrigens: Um diesen Text zu schreiben, musste ich mein Macbook Air öffnen. Das Design dieses Notebooks ist so durchdacht, d.h. dermassen reduziert, dass ich dazu zwei Hände brauche: Mit dem Daumen der linken Hand greife ich unter die Stelle, an der auf der Unterseite eine kleine Aussparung ist, fasse gleichzeitig mit dem Daumen der rechten Hand rechts davon an die Unterseite, um zu verhindern, dass diese ebenfalls nach oben klappt. Nur so lässt sich der Deckel anheben. Air heisst bekanntermassen leicht; was wird einem da eigentlich leicht gemacht?

Hauptaufgabe

Zeichnen Sie abschliessend einen ihrer Öffnungsvorgänge, der von Niemandem sonst genannt wurde. Ihre Darstellung soll grafisch sein, bedeutet, lediglich in Umrisslinien erfolgen. Was geöffnet wird, soll ins Zentrum des A4-Formates gesetzt werden (Unbedeutendes darf angeschnitten und ausgeblendet werden). Das Öffnen wird durch einen Pfeil oder ein ähnliches Symbol visualisiert. Die Zeichnung wird zum Schluss mit schwarzem Fineliner ausgearbeitet, nur der Öffnungsvorgang wird farblich hervorgehoben.