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im Gespräch

 

 

Medienkünstler Martin Meier im Gespräch mit dem Karlsruher Jugendpsychologen Reiem Nitram über das Phänomen happy slapping

 

RN: Martin Meier, herzlich willkommen in Karlsruhe.

MM: Vielen Dank- eine schöne Stadt, übrigens...

RN: Sie studieren hier Medienkunst und haben sich auch schon etwas ausgedacht: ein kleines Objekt, das sich KiCKMi! nennt. Erzählen sie mir zum Einstieg ins Gespräch doch etwas mehr darüber.

MM: Nun ja: Wie der Name schon sagt, ist KiCKMi! ein interaktives Spielzeug, das im Durchmesser etwa 22 cm misst. Es hat die Form eines Balls, jedoch ist KiCKMi! nicht aus Leder und wird auch nicht in der Dritten Welt produziert, nein: KiCKMi!s Aussenhaut ist aus hundertprozent biologisch- abbaubarem Jute- Stoff gefertigt.

RN: Innen high- und aussen lowtech, sozusagen...

MM: Das eigentlich Interessante aber ist: KiCKMi! will getreten werden; so wird er aktiviert. Gut. KiCKMi! liegt dann also irgendwo in einer Ecke und erholt sich. Sobald er wieder bei Kräften ist, beginnt er zu schreien und je länger man wartet, desto mehr schreit er und beginnt sogar zu zittern: Er will wieder getreten werden!
Der eigentliche Reiz besteht jedoch darin: Je schlechter man KiCKMi! behandelt, desto länger ist er still. Der Benutzer muss also schon ziemlich wüten, um seine Ruhe zu haben...

NR (poetisch): Da stellt sich doch die frage, ob es überhaupt so etwas wie Befriedigung gibt oder ob sie letztendlich nur eine Kette aus Silben ist, die sich durch unsere Körper frisst und sich im Muskelfleisch zur Entladung vorbereitet... (räuspert sich)
Auf jeden Fall ist es besser, solches in einer Galerie mit Kunst zu tun, als auf offener Strasse mit fremden Leuten!

MM: Was sind das für Menschen, die wehrlose Passanten verprügeln und sich dabei filmen?

RN: Jugendliche, die keine Arbeit haben, die sich langweilen. Solche, die meinen, mit Gewalt an Prestige zu gewinnen. In den Filmen erscheinen sie als Helden, sie erhoffen sich damit, in der Hierarchie ihrer Gruppe aufzusteigen.

MM: So eine Art Abu Ghraib Light- Version...

RN: Sie geben das Stichwort: Die Medien haben wohl die Hauptverantwortung für diese Erscheinungen. Nicht, weil sie „böse“ Clips von Marilyn Manson und 50cent senden, sondern weil sie durch ihre Sensationsgier dem Trend erst das nötige Mittel gegeben haben, um sich so schnell zu verbreiten. Vorher völlig unbekannte Kinder armer Eltern aus Londoner Vororten mit praktisch keinen Zukunftsperspektiven mutieren über Nacht dank „Mail on Sunday“ und Co zu fragwürdigen Stars.

MM: So ist das, wenn sich chronischer Voyeurismus durchgesetzt hat. Wenn ekelhafte Erniedrigungen 20 uhr 15- fähig geworden sind.

RN: Dabei war das zu Beginn eine durchaus subtile , zumindest weniger harmlose Tätigkeit: Die Jugendlichen verwickelten einen Passanten in ein Gespräch, plötzlich schlug einer zu. Entscheidend war der Gesichtsausdruck des Opfers, wie verblüfft es ist.

MM: Was würden sie denn tun?

RN: Einfach dem Typen mit dem Handy ordentlich eine mitgeben und das Handy ab in die nächste Pfütze. Am besten filmen und einen neuen Trend starten: „Happy Slapper Slapping“.

MM: Reiem Nitram, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

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